Tunnel of death

Immer weiter schrauben wir uns auf der gut ausgebauten Straße den Anzob Pass hinauf. Einzig und allein das immer lauter werdende brummen des Auspuffes macht mir heute Morgen ein wenig Sorgen. Hatte ich doch heute früh bei der täglichen Abfahrtkontrolle schon leichte Rußspuren an unserm Flexrohr am Ende des Krümmers / Hosenrohr entdeckt. So wurde mir mit zunehmenden Geräuschpegel klar, dass dieses sich gerade in Wohlgefallen aufzulösen scheint.
Nach der zweiten oder dritten Kehre ist Schluss. Erstens weil sich Abgas durch den Riss in der Bodenplatte im Innenraum breit macht, zweitens weil die Gummifußmatte im Beifahrerfussraum ihren Zustand von „fest“ in „zähflüssigen“ zu wandeln scheint. Wärend Renate die Fußmatte mit Wasser wieder in ihren Urzustand zu bringen versucht, zerlege ich eine der Bierdosen aus unserm Reisemülleimer. Leider sind die Dosen von heute auch nicht mehr das was man ein gutes Reperaturblech nennen könnte. Und so versuche ich das Flexrohr mit zwei 70er Schlauchbänder und zwei Lagen russischer Bierdose zu dichten. Fürs Erste sollte das reichen. Zur Sicherheit hohle ich mir aus den nahegelegen Bach noch ein paar Flaschen Wasser um im Bedarfsfall meinen Fußboden zu kühlen.
Keine 30 Minuten später können wir unser Aufstieg fortsetzen und erreichen nun ohne weitere Probleme die südliche Tunneleinfahrt gut 300m unter der Passhöhe
Kein Licht, keine Fahrbahnmarkierung zeigt uns dem Weg in das dunkle Loch. Zunächst scheint es, als müssten sich nur die Augen an die Dunkelheit gewöhnen, doch schnell ist klar, auch unser Scheinwerferlicht wird von den rußschwarzen Wänden regelrecht verschluckt.
Es rumpelt heftig, und nur knapp 5 Meter vor uns taucht wie aus dem Nichts ein weiteres großes mit Wasser gefülltes Schlagloch auf. Rechts daneben ragen Eisenstangen der Fundamentreste des Betonfahrbahnbelags aus dem Boden.
Spätestens jetzt ist klar das dies der „Tunel of death“ sein muss von dem uns die englischen Motorradfahrer vor einigen Tagen berichteten.
Ich halte meine LED Taschenlampe aus dem Fenster, um Renate ein wenig mehr den Weg aus zu leuchten. Es geht nur noch im Schritttempo voran, und wir tasten uns wie Blinde mit unseren Vorderrädern von Loch zu Loch. Immer mal wieder hängt eine Lampe an der Tunnelwand, sie ist jedoch so schwach das sie lediglich zur Orientierung der Richtung genutzt werden kann.
Im Dunst des Tunnels tauchen vor uns ein paar Rücklichter auf. Alle stehen und nichts geht mehr. Ich steige aus, versuche ohne in den Pfützen zu ertrinken mich weiter nach vorne durch zu arbeiten. Es ist kalt, nass und stickig hier drin, das Wasser läuft von den Wänden. Vor mir ist das Hupen eines Radladers im Rückwärtsgang zu hören. Ein paar Autos und einige Löcher weiter sehe ich die Ursache dieser „Rohrverstopfung“.
Ein mit einer riesigen Baumaschine beladener Tieflader steckt zwischen Tunnelwand und Betonpfeilern, die am rechten Tunnelboden liegen. Es scheint als hätte er es bis hier her geschafft und nun festgestellt, dass der Tunnel wohl stellenweise wegen der auf dem Grunde herumliegender Baumaterialien und alter Fahrbahnteilen nun doch zu schmal ist.
Ein LKW-Motor heult auf, um im selben Augenblick mit schließen der Kupplung wieder in die Knie zu gehen. Gleichzeitig zerrt ein riesen Radlader vorne am Zugfahrzeug des Tieflader. Der gesamte Aufbau bewegt sich 30cm vorwärts, wärend es scheint als wolle sich das Führerhaus der Baumaschine mit aller Gewalt in der Tunnelwand festkrallen um ein weiterkommen zu verhindern.
Die ersten Steine fallen von den Wänden und alle weichen zurück zu ihren Autos, aus gut 30 Metern Entfernung beobachten wir nun das Spektakel. Mittlerweile hat sich die Tunnelröhre hinter uns mit LKW, Kleinbussen und Autos gefüllt. Einige versuchen in typisch asiatischer Manier doch irgendwie an den andern schon in zwei Reihen stehenden Fahrzeugen vorbei zu kommen. Nach einiger Zeit wird es leiser, nur noch der Radlader ist zu hören. Die Bauarbeiter, die ebenfalls hier im Tunnel an einigen Stellen aktiv, sind das Ruder übernommen. Sie räumen die Hindernisse bei Seite. Mit einigen lauten Krachern setzt sich der Zug nun wieder in Bewegung, um nach gut 100m an der rechten Tunnelseite erneut zum stehen zu kommen. Dieses Mal aber scheint es, als sei es technischer Natur. Und so nutzen wir den noch verbleibenden Platz links neben der Maschine um an dem Ungetüm vorbei den gut 500 m entfernten Tunnelportal näher zu kommen..

Am darauffolgenden Tag treffen wir kurz vor dem nächsten Tunnel wieder auf den Schwertransport. Wir sind heil froh, das wir dieses mal kurz vor dem Zug in den Tunnel einfahren können.