Race of the Day

Ein Hupkonzert weckt mich heute Morgen, auf der Hauptstraße durch die City herrscht schon reger Verkehr, für uns Mitteleuropäer wirkt alles planlos und ohne Regeln doch das täuscht. Auch in Murmansk gibt es eine Ordnung, es gilt  das Gesetz des Stärkeren. Jede Ampelschaltung ist wie ein Grand Prix Start.  Porsche gegen einen alten KAMAZ LKW ist das Race des Morgens. Der alte Arme-LKW schneidet die Zweispurige Rechtabbiegung und gewinnt somit den Start, der Cayenne verschwindet in eine schwarzen Rußwolke hinter dem Truck und wird sich wohl bis zur nächsten Ampel nicht von ihr befreien.

Wir wollen heute Richtung Süden aufbrechen. Mashas Mutter hat uns gestern noch vor schlechten Straßen und Polizeikontrollen gewarnt, „Policia Verbrecher“, “Straße manchmal schlecht“  hat sie uns auf Deutsch mit auf den Weg gegeben. Bei leichtem Nieselregen rollen wir durch die Stadt. Der Regen macht uns nichts aus. Die Kombination aus Rußwolken der LKWs, blauen Nebelschwaden der Autos mit kaputter Zylinderkopfdichtung, und die Abgase der Kohleöfen und Heizkraftwerke, kratzt in den Atemwegen, an manchen Kreuzungen kommen noch andrer Düfte hinzu und  die erste dreiviertel Stunde laufe ich Gefahr mir das Frühstück noch mal durch den Kopf gehen zu lassen. Endlich erreichen wir die Stadtgrenze, die Straße ist neu und gut ausgebaut, immer wieder unterhalten wir uns übers Intercom, sind erstaunt das alles so viel besser ist als erwartet. Wir genießen die Landschaft und rollen mit 100 km/h über den Highway. Die endlose Weite Russlands ist beeindruckend die Straße vor uns ist eine gerade Linie bis sie am Horizont unterhalb der weisen Schneekuppen der nächsten Gebirgszüge verschwindest. Aus den Fichtenwäldern links und rechts der Straße erheben sich Abraumhalden einer Mine die in ihrer Hohe mit der Schwäbischen Alb Kante konkurrieren können, Die Bewaldung wird dünner bis sie letztlich ganz verschwunden ist. Die Landschaft gleicht wieder einem Testgelände für Atombomben. Nur noch Baumstümpfe ragen aus dem felsigen Boden, und es dauert nicht langen bis ein zweites Nikel vor uns auftaucht.  Auch hier werden Nickel, Apatit und andere Schwermetalle sowie Halbedelsteine abgebaut und Verhüttet. Nicht bewegt uns hier zu verweilen. Bei Kandalakasha verlassen wir die E106 für einen Tankstop. Ursprünglich wollten wir von hier aus mit dem Schiff nach Onezhskiy Rayon übersetzen. Der Ort scheint aber seine Beste Zeit schon lange hinter sich zu haben, und die Schiffsverbindung gibt es auch nicht mehr. Zurück auf dem Highway erreichen wir nach 220 km eine Baustelle. Zum ersten Mal sind wir richtig froh über unser Stollenreifen und die langen Federwege unser Bikes. Über 10 km geht es auf Schotter und Asphaltreste weiter. Leider gibt es wohl in Russland kein Verkehrsschild „Ende der Ausbaustrecke“ sonst hätten wir gewusst was uns danach erwartet. Hinter der Baustelle beginnt die Alte Sowjet-Piste nach einigen Kilometern haben wir unsere Geschwindigkeit gefunden, ab 110 km/h beginnen die Motorräder über die Schlaglöcher zu fliegen. Es gibt nicht viel zu sehen neben der Piste, kein Ort, keine Häuser, einfach nichts. Nach 600 km haben wir genug von der Schüttelei für heute, auch lässt die Konzentration nach und wir suchen ein Nachtlager abseits der Straße. 60 km brachen wir noch bis wir eine Stelle finden wo wir die Route verlassen können. Während ich mein Zeit aufstelle ist Robert nun erst mal damit beschäftigt den gesamten Inhalt seines linken Koffers vom Schokopulver einer aufgeplatzten Tüte zu befreien. Die Schüttele hat das Zeug überall hin verteilt. Ich bin so müde, das ich keinen Gedanken an Bären oder andere nächtliche Besucher verschwende.